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Luxusprobleme

von Kay Synwoldt

Anfang März. Da ist bei mir angeltechnisch normalerweise alles in trockenen Tüchern. Meine Truhen voll, meine Rollen sind mit frischer Schnur bespult, ich habe einen Saisonvorrat an Kleinteilen und Haken besorgt. Und ich habe einen Schlachtplan, welches Gewässer ich in den kommenden Monaten wie befischen werde.
In diesem Jahr ist das anders. Ich hänge zwischen den Stühlen, bin derzeit regelrecht lost.
Ködertechnisch habe ich bisher nur einen (Not-)Vorrat gebunkert.

Dazu sich ständig ändernde Verhaltensmaßregeln, Maskenpflicht, der Lockdown vom Ausnahmezustand zur neuen Daseinsform.“

Zudem steckt mir der gefühlt jedes Jahr länger dauernde Winter in den Knochen. Den habe ich von einer kurzen Eis-Zwangspause abgesehen einmal mehr durchgezogen. Trotz vergleichsweise geringem Aufwand, geht das Winterangeln an die Substanz. Nicht nur altersbedingt. Trübes Wetter, Kälte, Dunkelheit – im Winter bekomme ich meine Fische nicht geschenkt. Dazu Neider, die mir Knüppel zwischen die Beine werfen. Und dann war da ja noch etwas – richtig, Covid-19!

Seltene Lichtblicke

Infektionszahlen und Inzidenzwert – seit einer Ewigkeit präsenter als der Wetterbericht. Dazu sich ständig ändernde Verhaltensmaßregeln, Maskenpflicht, der Lockdown vom Ausnahmezustand zur neuen Daseinsform. Und nicht zuletzt die bange Frage: Was folgt nun auf den Corona-Winter?
Längst gibt es neue Drohszenarien in Form von Virus-Mutationen, dritte und vierte Welle scheinen unvermeidlich.
Also ein weiterer Corona-Frühling oder sogar der nächste Corona-Sommer? Wie gehabt mit überfüllten Gewässern und schlechten Fängen?

Klein aber fein

Wollen wir mal nicht so pessimistisch sein. Aber die ewige Hängepartie raubt unglaubliche Energie. Durchhalteparolen seitens der Politik und Wissenschaft klingen hilflos, es fehlt die Perspektive.
Vielleicht dann doch die Impf-Kampagne, die irgendwann merkliche Entspannung bringt?

Selbst wenn eigentlich nichts gegen meinen Gewässerwechsel spricht, warte ich lieber ab.“

Ich hoffe es. Glauben will ich es noch nicht. Und was heißt irgendwann? Das Impfen läuft derzeit bei uns alles andere als rund, das Virus scheint drei Schritte voraus.

Ich tue mich deshalb schwer, meine Angelsaison zu planen. Dafür hatte ich eigentlich ein neues Gewässer auf der Agenda. Ich brauche frischen Wind und neue Fische. Selbst wenn eigentlich nichts gegen meinen Gewässerwechsel spricht, warte ich lieber ab. Unser Leben auf einem Pulverfass birgt zu viele Unsicherheiten.

Die ewige Dunkelheit schlägt aufs Gemüt

Und bei vielen geht es längst nicht mehr ums Angeln, es geht um Gesundheit, Familie, berufliche Perspektiven oder sogar die nackte Existenz – alles geht den sprichwörtlichen Bach runter. Angesichts viel größerer Sorgen und Nöte rückt das Hobby in den Hintergrund, mein Mangel an Angelmotivation verkümmert zum Luxusproblem. Schlimmstenfalls fische ich eben noch ein weiteres Jahr in bekannten Gefilden.