Unglaubliche Fänge
von Sebastian Schmidt
Auf dem Heimweg von der Arbeit hörte ich kürzlich im Auto ein Podcast-Interview über das Karpfenangeln. Das mache ich recht häufig. Ich lasse mich berieseln, kann dabei abschalten und plane meine nächste Session.
Der Interview-Gast wurde als Karpfenangler vorgestellt, der in sozialen Medien, insbesondere bei Instagram, schon durch unglaubliche Fänge auf sich aufmerksam gemacht hat.
Tatsächlich finde ich bei den in den sozialen Medien präsentierten Fängen einiger Kollegen so manches „unglaublich“. Fängt beim Gewicht an und hört beim angeblich verwendeten Köder auf.
Na klar, der Interviewer in dem Podcast wollte seinen Gast mit einer solchen Aussage aufwerten. Dennoch kam ich an dieser Stelle ins Grübeln – insbesondere bei der Frage, woran ich bei Instagram einen solchen „unglaublichen“ Fang überhaupt erkennen kann?
Kurz gesagt, einen 30-Kilo-Fisch fange ich eben nur dort, wo er auch herum schwimmt.“
Anhand welcher Kriterien will man einen Fisch, oder den Angler dahinter bewerten? Was sagen Bilder in den sozialen Medien überhaupt über Fang und Fänger aus? Kann ich eine Wertung anhand der Größe des gezeigten Fisches vornehmen? Um einordnen zu könne, ob der Fang außergewöhnlich oder eben unglaublich ist sollte man ihn immer im Zusammenhang mit dem Gewässer betrachten.
Kurz gesagt, einen 30-Kilo-Fisch fange ich eben nur dort, wo er auch herum schwimmt. Das sollte mittlerweile jeder wissen. Und in ungarischen oder kroatischen „Vereinsseen“ können das durchaus einige sein – wohingegen es in einigen Regionen Deutschlands nicht einen einzigen 30-Kilo-Fisch gibt.
Die Größe eines Fisches alleine macht den betreffenden Fang also nicht gleich unglaublich.
Der Angler, dessen Galerie ich so bewundert hatte, durfte sich lediglich mit dem Fisch ablichten lassen. Im Tausch gegen ein paar Kilo Boilies.“
Genau genommen weiß ich nicht einmal, ob der „Fischhalter“ auf dem Bild überhaupt der Fänger ist. So stieß ich vor einiger Zeit stieß bei Instagram auf die Fotogalerie eines in sozialen Medien nicht ganz unbekannten Anglers, der dort eine Vielzahl dicker Fische präsentiert. Irritiert war ich, als ich mir die Kommentare zu einem dicken Schuppi anschaute und ich den gleichen Fisch vor gleichem Hintergrund in der Galerie eines der Kommentatoren wiederfand. Ein Kumpel, der beide Angler kennt, bestätigte – selbstverständlich nur hinter vorgehaltener Hand meine Vermutung, dass in Wirklichkeit der „Kommentator“ den Fisch gefangen hatte. Der Angler, dessen Galerie ich so bewundert hatte, durfte sich lediglich mit dem Fisch ablichten lassen. Im Tausch gegen ein paar Kilo Boilies.
DAS ist wirklich unglaublich!
Auch wohlgemeinte Hashtags wie #lowstock machen einen Fisch also nicht unglaublich.“
Einige Angler versuchen ihren Postings durch Hashtags wie #public oder #lowstock mehr Gewichtung zu verleihen. Aber niemand weiß, inwieweit diese Angaben stimmen. Zudem sind es keine genormten Begriffe. Auch die erwähnten Vereinsgewässer auf dem Balkan sind „public“, also öffentlich. Und was „lowstock“ bedeutet, liegt bekanntlich auch im Auge des Betrachters.
Für den einen bedeuten 50 Fische auf fünf Hektar lowstock, für den anderen Angler wäre die gleiche Anzahl Fische auf 100 Hektar eher viel. Zudem sagt „lowstock“ dann kaum etwas aus, wenn das natürliche Nahrungsangebot noch dünner ist, als der Fischbestand. Dann werden die Fische nämlich wieder leicht fangbar. Auch wohlgemeinte Hashtags wie #lowstock machen einen Fisch also nicht unglaublich.
Es ließen sich etliche Kriterien formulieren, die einen Fang tatsächlich unglaublich machen können. Nur ließe sich das nur schwer mit einem Bild über soziale Medien wie Instagram kommunizieren. Die Herausforderung hinter einem Fang, besondere Umstände oder das Können eines Anglers erkennt man nicht auf Fotos oder Kurzvideos. Vielen Followern ist das anscheinend nicht bewusst.
Soziale Medien sind nicht nur oberflächlich, sie suggerieren eine Scheinwelt. Es ist eine Plattform für die It-Girls und -Boys der Szene.“
Keine Frage, wenn dort präsentierte Fotos gut gemacht sind, können sie Emotionen transportieren und zu eigenen Taten inspirieren. Es ist also nicht so, dass sich aus sozialen Medien gar nichts mitnehmen ließe. Nur vermitteln die Postings kaum etwas über die Hintergründe eines Fangs und „unglaublich“ können sie ihn schon gar nicht machen. Soziale Medien sind nicht nur oberflächlich, sie suggerieren eine Scheinwelt. Es ist eine Plattform für die It-Girls und -Boys der Szene.
„Unglaublich“ kann dabei allenfalls das sein, was die Follower in die Postings hineininterpretieren. Das habe ich beim Betrachten der Bilder immer im Hinterkopf. Und wenn die Kardashians des Karpfenangelns performen, weiß ich, dass ich das wertfrei betrachten muss. Das würde ich jedem User empfehlen.