Blog

Gute Vorsätze

von Kay Synwoldt

Zu jedem Jahreswechsel die gleiche Leier mit den guten Vorsätzen. Ich werde endlich das Rauchen aufhören, weniger fettiges Essen in mich hineinstopfen, weniger Alkohol trinken, dafür mehr Sport treiben. Und ich werde mich im neuen Jahr weniger stressen.
Womit wir beim Angeln wären. Denn unser Hobby soll in erster Linie der Entspannung dienen. Beim Angeln wollen wir runter kommen, wir wollen den Alltag abschütteln, unsere Zeit am Wasser und in der Natur genießen.
So wählen auch wir Angler zum Anfang jeden Jahres die gleichen Klassiker als gute Vorsätze: Wir wollen mehr Angeln gehen, wir wollen mehr Zeit genießen, wir wollen die 63 Nächte aus dem letzten Jahr toppen. Selbstverständlich wollen wir endlich unseren Zielfisch, den dicken 25-Kilo-Schuppi aus dem Hausgewässer fangen – nur noch diesen einen.

Die guten Vorsätze haben ihren Namen nicht von ungefähr. Sie haben durchaus etwas Gutes.“

Und danach wollen wir neue Gewässer ausprobieren, neue Reviere erkunden, neue Abenteuer bestehen. In diesem Jahr werden wir endlich angreifen und dem 100-Hektar-Baggersee, in dem sogar ein 30-Kilo-Riese schwimmt, genauer auf den Zahn fühlen. Auch wenn dieses neue „Hausgewässer“ jedes Mal gute 80 Kilometer fahren bedeutet, one way wohlgemerkt – es ist uns egal, wir werden es schon irgendwie hinbiegen. So schlimm kann das bisschen Fahrerei doch nicht sein.
Die guten Vorsätze haben ihren Namen nicht von ungefähr. Sie haben durchaus etwas Gutes. Sie vermitteln Hoffnung, eine neue, längst verloren geglaubte Euphorie. Eine Euphorie, die uns jetzt nach einem außergewöhnlichen Jahr mit vielen Einschränkungen gut tut.
Womit wir bei der Kehrseite der Medaille wären. Denn die guten Vorsätze bergen auch eine große Gefahr: die maßlose Enttäuschung nämlich, wenn wir an unseren eigenen Vorgaben scheitern. Mal ehrlich: Wie viele unserer Vorhaben haben wir in den vergangenen Jahren tatsächlich umgesetzt? Es sind die wenigsten, stimmt´s?

Die 63 Nächte noch toppen? Da ist das Scheitern quasi vorprogrammiert.“

Nicht umsonst rede ich bei den guten Vorsätzen ja von „Klassikern“. Dabei ist es nicht nur der innere Schweinehund, der uns ausbremst. Oder Corona. Es sind unsere eigenen, oft viel zu hohen Vorgaben.
Die 63 Nächte noch toppen? Da ist das Scheitern quasi vorprogrammiert. Wenn man Familienvater mit festem Einkommen ist jedenfalls.
Und der Fang des dicken Schuppis im Hausgewässer? Wie wollen wir das beeinflussen? Haben wir das nicht schon drei Jahre vergeblich versucht? Ist es nicht am Ende reine Glückssache, wenn genau dieser eine Fisch in unserem Kescher landet?
Okay, es ist vielleicht nicht nur Glück. Manchmal wird der Tüchtige am Ende auch belohnt. Aber so ein Fang bleibt ein Bonus – ein Bonus, den wir nicht fest einkalkulieren können.
Die ganzen guten Vorsätze – am Ende wertlos?
Nein, das glaube ich nicht. Denn ein guter Vorsatz kann ein wichtiger Ansporn sein, die nötige Triebfeder, die uns am Ende unserem Ziel tatsächlich näher bringt.
Aber: Wir sollten bei der Wahl unserer Vorsätze realistisch bleiben. Wir sollten zum Anfang des Jahres keine Luftschlösser bauen, wir sollten uns von unserer Euphorie nicht zu weit tragen lassen. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall!

Planen lässt sich ohnehin nichts, das hat uns das vergangenen Jahr 2020 gelehrt.“

Was mich betrifft, habe ich mir für das gerade begonnene Jahr keine festen Vorgaben gemacht. Ganz sicher nicht, was das Angeln betrifft. Ich bin noch nicht sicher, welche Gewässer ich am Ende befischen werde, ich weiß noch nicht, welche Fische ich fangen werde.
Ich lasse das neue Angeljahr jetzt, Anfang Januar, erst einmal auf mich zu kommen. Ich werde mich treiben lassen und mich dann spontan entscheiden, frei aus dem Bauch heraus, je nach Lust und Laune. Wer nicht festgefahren ist, dem eröffnen sich manchmal ungeahnte Perspektiven. Planen lässt sich ohnehin nichts, das hat uns das vergangenen Jahr 2020 gelehrt.
Und es spielt meinem wichtigsten Vorsatz in die Karten: Ich werde mich weniger stressen!